Das ist der Gipfel.


Ob Irvine und Mallory jemals den Gipfel erreicht haben, ist nicht bewiesen, und auch eher wenig wahrscheinlich.
Sicher ist dagegen, dass auch im Winter 2013 fast 200 Läuferinnen und Läufer den Brocken zielsicher erstürmt haben.
Brocken-Challenge die Zehnte ist so etwas wie ein kleiner Zugspitzen-Lauf, wie ein ganz kleiner Mount Everest-Erklimm.
Vom Alten Tanzsaal am Göttinger Ostend führt die Strecke quer durch die niedersächsiche und sachsen-anhaltinische Landschaft auf den 1141 Meter hohen Harzgipfel. Klingt nach etwas Mühe aber wenig Grund zum Jammern. Der Everest ist immerhin acht mal so hoch. Das ist mal wieder typisch; Äpfel mit Birnen!

Beim Brockenlauf müssen auf gut 80 Kilometer fast 2.000 Höhenmeter (1.905) überwunden werden. Allein auf dem letzten Teilstück liegen auf 7,6 Kilometern 370 Plusmeter bei gerademal 20 Minusmeter vor den Verwegenen. Es geht also mit über 70 Kilometern in den Beinen eine Stunde lang stetig bergauf. Das Gros der Läufer nimmt diesen letzten „Entsafter“ im Dunkeln und bei Minusgraden in Angriff. Ein Zurück gibt es nach dem letzten Verpflegungspunkt in Oderbrück nicht mehr!

„Hast du den Tisch schon bestellt?“ ruft mir eine mitteljunge Frau aus einer fröhlichen Wandergruppe kurz vor Braunsbedra zu. Als sie näher kommt steigt eine leichte, doppelte Röte in ihr Gesicht. Zur allgemeinen Gesichtskälte kommt die Schamröte, denn ich bin nicht der von ihr erwartete Thomas. Ich bin auf diesem Weg unterwegs, um die so nach und nach und in mittlerweile großen Abständen einzeln eintrudelnden Läufer ein wenig aufzumuntern und den nahen, aber letzten Verpflegungstreff zu avisieren. So kurz vorm letzten richtigen Anstieg hat sich das Teilnehmerfeld auf fast sechs Stunden Abstand gestreckt. Eine echte Herausforderung für die fleißigen, ehrenamtlichen Organisatoren, Helfer, Unterstützer und Johanniter.

Pünktlich sechs Uhr erfolgt der wenig spektakuläre Startschuss, der diesen Namen nun wirklich nicht verdient.
Im Stockdunkeln verschwindet die verwegene Meute im finsteren Stadtwald hinter dem Göttinger Hainholzhof. Wer da eine wegzeigende GPS-Uhr ohne Beleuchtung am Arm trägt, steht fast auf verlorenem Posten. Zwar weisen hin und wieder am Wegrand aufgestellte Fackeln die grobe Richtung, doch nicht einmal Rotkäppchen hat auf Mutter gehört. Umso wichtiger der Hinweis der Organisatoren, auf den ersten Kilometern den Fußtstapfen der ortskundigen Läufer zu folgen. Geht. Da ist die Meute noch dicht beieinander.

Das Endergebnis steht zwar fest, aber noch nicht online. Die BCX ist Geschichte und viele der zähen Teilnehmer denken schon an die nächste Herausforderung.
Es gibt Sportler und es gibt Irre. Und es gibt BCer. Die müssen nicht nur das Laufen, das Kämpfen und das Schmerzverbeißen beherrschen. Als Teilnehmer an der Brocken-Challenge muss man Internet-versiert sein. Die Online-Ausschreibung für die BCX war nach 180 Sekunden geschlossen, das Teilnehmerfeld komplett.
Auch 2014 werden wieder bei Wind und Wetter, bei Minusgraden und meterhohen, ungespurten Waldpassagen 200 Verrückte 80 Kilometer von West nach Ost sich selbst beweisen.
Hut ab und toi toi toi.
Text und Fotos: (c)casus.2013